Innovation aus Fernost

Das Superfood Rispenhirse gelangte vor 3.500 Jahren auf den Speisezettel in Mitteleuropa. Ihr Auftritt erfolgte erst Jahrtausende, nachdem Bäuer:innen in Europa in der Jungsteinzeit vor ca. 7.500 Jahren begonnen hatten, Emmer und Einkorn anzubauen. Unser groß angelegtes Datierungsprogramm an den kleinen Hirsekörnern brachte diese Gewissheit.

Anders als die Urweizen Emmer und Einkorn, die aus dem Gebiet des fruchtbaren Halbmondes (heute: Anatolien (Türkei), Syrien, Libanon, Israel, Iran und Irak) stammen, hat die Hirse ihren Ursprung im Fernen Osten, dem heutigen China. Über den Kaukasus kommend, erreichte sie das Schwarze Meer und den Mittelmeerraum in der Bronzezeit. Hier können wir sie erstmals um 1.600 v. u. Z. nachweisen. Weiter Richtung Mittel- und Nordeuropa expandierte sie bis 1.200 v. u. Z.

  • Exkurs

    Wie können Archäolog:innen das Alter von Funden bestimmen?

  • Radiokarbondatierung ist ein Verfahren zur archäologischen Altersbestimmung organischer Materialien. In der Natur kommen drei Isotope des Kohlenstoffs vor: 12C, 13C, 14C.

  • 14C entsteht hauptsächlich in der oberen Atmosphäre, der Stratosphäre, wenn Neutronen der kosmischen Strahlung mit Stickstoffatomen (14N) der Luft zusammenstoßen. Das so gebildete 14C wird zu CO2 oxidiert, gelangt durch Photosynthese in Pflanzen und wird über die Nahrungskette von Tieren aufgenommen. Auf diese Weise bleibt der Anteil an 14C in lebenden Organismen trotz des ständigen radioaktiven Zerfalls nahezu konstant.

  • Nach dem Tod eines Organismus hört der Austausch von 14C mit der Atmosphäre jedoch auf und die 14C-Konzentration sinkt durch radioaktiven Zerfall mit einer Halbwertszeit von 5.730 Jahren. Mit weiteren Korrekturen, die aufgrund des schwankenden 14C-Gehaltes der Atmosphäre angewendet werden müssen, ist dann die Bestimmung des tatsächlichen Alters möglich.

    Die in einer Probe zu einem bestimmten Zeitpunkt verbleibende 14C-Konzentration kann dann gemessen werden.

  • Heute kommt für Altersbestimmungen die Beschleuniger-Massenspektrometrie (Accelerator-Mass-Spectrometry, kurz: AMS) zum Einsatz, die das in der Probe vorhandene 14C/12C-Verhältnis durch Detektion der Isotope selbst bestimmt.

    Für unser groß angelegtes Datierungsprogramm an den kleinen Rispenhirsekörnern profitierten wir von der AMS-Methode, denn erst sie ermöglicht, Altersbestimmungen an Kleinstproben von weniger als 1 Milligramm Kohlenstoff vorzunehmen.

Wie lässt sich Hirse für Archäolog:innen nachweisen?

In Feuerstellen, Vorratsgruben und Abfallgruben überdauern alte Pflanzenreste die Zeit. Meistens sind sie verkohlt und werden deshalb nicht von Mikroorganismen zu Kompost verdaut. Sie stammen von Kochunfällen oder verkohlten bei einem Schwelbrand in der Siedlung. Von der Rispenhirse finden wir in Bodenproben von archäologischen Ausgrabungen verkohlte Körner, oft verbacken zu verkohltem Brei.

Neben diesen makroskopischen Hirseresten können wir Rispenhirse auch mikroskopisch nachweisen. In den Zellen der Rispenhirsespelzen sind spezifisch geformte, winzig kleine Glasscherben, die Phytolithe, eingelagert. Stirbt und zergeht die Pflanze, bleiben sie als Fossilien zurück. Als anorganische, nicht zersetzbare Silikate können sie über Jahrtausende in den Böden überdauern.

Schwarzes Gold

Eimer-Flotation

Hirse Heute

Hoffnungsträger Hirse

Die UN-Generalversammlung hat für 2023 das „Jahr der Hirse“ ausgerufen und stärkt damit die indigene Bevölkerung. Hirsen gehörten bspw. in Nagaland traditionell auf den Speisezettel, bevor sie vom Cash-crop Reis verdrängt wurden. Heute wird die Hirse wiederentdeckt und ihr Anbau z. B. vom North East Network Nagaland, einer gemeinnützigen Organisation zur Stärkung von Frauenrechten, gefördert.

Die UN-Resolution soll das öffentliche Bewusstsein für die zahlreichen Vorteile von Hirse stärken, denn die nährstoffreiche Hirse ist vielseitig einsetzbar. Sie verbraucht 70 Prozent weniger Wasser als Reis, wächst in der Hälfte der Zeit wie Weizen und benötigt 40 Prozent weniger Energie bei der Verarbeitung. Hirsen sind eine Rundumlösung im Zuge des Klimawandels, der Wasserknappheit und der Dürre. Als glutenfreies, leicht verdauliches Getreide stärken sie das körpereigene Immunsystem und können helfen, Unterernährung bei Kindern und Eisenmangelanämie abzuwenden.