Zusammen sind wir stark

In der Jungsteinzeit waren Rituale eine Art Kleber, der die Gemeinschaften zusammenhielt. Die Jungsteinzeitler:innen bestellten ihre Felder gemeinsam und lebten zusammen in großen Häusern. Rituelle Aktivitäten, wie der Bau von sogenannten Großsteingräbern und die hierin erfolgte Verehrung von Ahnen, sicherten die Weitergabe von Regeln des Zusammenlebens – ganz ohne Schrift. Die Rituale waren ein soziales Gerüst, stifteten über Jahrhunderte hinweg Sinn, Orientierung und Zusammenhalt. Mit den Großsteingräbern zeigt sich die an soziale Gleichheit ausgerichtete Ideologie besonders. Diese waren die letzte Ruhestätte von Jung und Alt, Frauen und Männern und das für sehr viele Generationen.

Noch heute prägen die Reste tausender dieser Gräber unsere Landschaft.

  • Exkurs

    Was sind Großsteingräber?

  • In der Jungsteinzeit der Nordeuropäischen Tiefebene sind aus großen Steinen, sog. Findlingen, errichtete Großsteingräber ein weitverbreitetes Phänomen. Noch heute sind rund 5.000 dieser Monumente erhalten.

  • Sie bestehen aus mehreren aufrechtstehenden Findlingen, die einen oder mehrere Decksteine tragen und bilden so eine Steinkammer. Überdeckt wurden die Gräber mit einem Erdhügel. Die meisten dieser Gräber wurden zwischen 3.600 und 3.000 v. u. Z. errichtet. In einigen Kammern haben sich Knochen erhalten, an denen wir sehen können, dass sämtliche Mitglieder der Gemeinschaften bestattet wurden.

  • Für den Bau der Gräber war viel Arbeitskraft und ein hoher Grad an Organisation nötig. Wahrscheinlich sind Menschen aus verschiedenen Siedlungen zusammengekommen. Als Beigaben für die Bestatteten wurden Bernsteinschmuck und häufig reich verzierte Tongefäße in den Kammern platziert.

  • Durch unsere Untersuchungen konnten wir feststellen, dass sich in diesen Gefäßen neben vegetarischen Speisen und Milchprodukten, vor allem Rindfleisch befunden hat.

    Wie der Bau eines Großsteingrabes stattgefunden haben könnte, haben wir ausprobiert: Megalithgrabbau an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

(Gem-)einsam im Wandel?

Doch um 3.000 v. u. Z. wandelte sich das bisherige Leben der Menschen. Das Zusammenleben in großen Dörfern führte zu Konflikten. Die alte, an soziale Gleichheit ausgerichtete Ideologie kam immer mehr an ihre Grenzen. Gleichzeitig brach ein Klimawandel herein; dieser brachte kühlere Sommer mit sich, womit die Ernte geringer ausfiel und sich die Situation weiter zuspitzte.

Die Siedlungen wurden nun durch Zäune geschützt und einzelne Menschen zeigten ihre Macht offen durch das Tragen von Waffen. Die alte Ordnung zerfiel und immer mehr Menschen wurden nicht in den Großsteingräbern der Ahnen, sondern allein, in individuellen Gräbern bestattet.

  • Exkurs

    Was waren technische Innovationen in der Jungsteinzeit?


  • Hakenpflugspuren (3.550 v. u. Z.), kreuzweise Aufritzung des Bodens mit einer Ard. Fundort: Flintbek, Schleswig-Holstein

    Die Jungsteinzeit markiert den Zeitpunkt, ab dem die Menschen Ackerbau und Viehzucht betrieben. Während zu Beginn kleinere, gartenähnliche Felder mit Grabstöcken angelegt wurden, ändert sich dies um 3.600 v. u. Z. Durch den Hakenpflug wird es nun möglich, größere Flächen zu bearbeiten.


  • Hölzerne Wagenachse (2.450 v. u. Z.). Fundort: Pfahlweg PR7, Niedersachsen

    Das Ziehen von Hakenpflügen mithilfe von Haustieren wie Schweinen oder Rindern ist zwar theoretisch möglich, konnte bislang aber nicht von uns nachgewiesen werden. Allerdings verweisen bildliche Darstellungen auf eine andere Nutzung von Rindern: Ab 3.450 v. u. Z. werden Rad und Wagen genutzt und wohl von Haustieren gezogen.


  • Wagenspuren (3.400 v. u. Z.), 1,10 – 1,20 m Spurbreite. Fundort: Flintbek, Schleswig-Holstein

    Die weltweit ältesten archäologischen Belege für Wagenspuren stammen dafür aus Norddeutschland, entdeckt unter einem Grabhügel in Flintbek bei Kiel und datieren um 3.400 v. u. Z.

    Eine weitere Innovation ist das Metall, welches in Form von Beilen aus Kupfer den Norden erreicht.


  • Kupferdepot (3.800 v. u. Z.), Dolch, Flachbeil, Spiralarmring, Bandspirale, Blech. Fundort: Neuenkirchen, Mecklenburg-Vorpommern

    Das neue Material konnte sich aber nicht dauerhaft durchsetzen und wir erkennen einen Abbruch der Importe um 3.300 v. u. Z. Erst um 2.300 v. u. Z. beginnt Metall wieder langsam, aber unaufhaltsam an Bedeutung zu gewinnen. Durch die Zugabe von Zinn wurde nun zunehmend Bronze hergestellt und eine neue Epoche – die Bronzezeit – begann.


  • Das Rohmaterial jungsteinzeitlicher Kupfergegenstände stammt aus verschiedenen Abbauregionen Europas (1. Fundorte, 2. Zinnabbau; 3. Kupferabbau).

    Unsere Forschungen ergaben, dass das Kupfer der Funde aus Norddeutschland und Südskandinavien in Südosteuropa und dem Alpenraum abgebaut wurde und dadurch die über 1.000 km langen Austauschverbindungen / Handelswege nachzeichnen.

Was gibt Orientierung im Leben? Und hat es einen Preis?

Diese Veränderungen passierten nicht von heute auf morgen. Noch über mehrere Generationen hielten einige Gruppen an ihren Traditionen des „Zusammen sind wir stark“-Seins fest. Doch sie wurden zunehmend zurückgedrängt. Das neue Leben in kleineren Gruppen und der gelebte Individualismus setzte sich durch, bis die alten kooperativen Werte schließlich keine Bedeutung mehr hatten. Ein neues Gesellschaftsbild entstand.

Wie auch heute suchten die Menschen damals in Zeiten von Umbruch und Unsicherheit nach Orientierung. Sie fanden sie in einer strikt organisierten, aber auf Ungleichheit beruhenden Gesellschaftsordnung. Aber was ist unsere Lösung?

Wahrzeichen des Nordens

Megalithische Gräber und Grabhügel aus der Bronzezeit

Dark Ages Heute

Das Ich im Wir

Trifft Individualismus auf Gemeinschaftssinn, so erfordert es heute wie auch vor 5.000 Jahren, dass Einzelne ihren Wunsch nach Selbstbestimmung mit den Interessen der Gemeinschaft vereinbaren. So ist das Verlangen nach Zugehörigkeit eine der wichtigsten Bestrebungen eines Menschen und äußert sich heute wie früher in der Verbundenheit zur Familie oder zu Gruppen mit gleichen Interessen. Zugleich versuchen wir durch Individualität unserer eigenen Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen und uns von anderen abzuheben. Hierzu können Kleidung, Schmuck, Objekte wie Autos, Häuser, Smartphones oder Aktivitäten wie Reisen gehören.

Ebenso wie vor 5.000 Jahren wird uns dieses Spannungsfeld umso bewusster, je mehr wir mit Ereignissen wie Klimaveränderungen oder Konflikten konfrontiert werden. Diese erfordern ein gemeinsames Handeln und die Abwägung, ob und wie individuelle Rechte einzuschränken sind, denn unsere Gesellschaften sind auf die Zusammenarbeit der Menschen angewiesen.