Aus ethnohistorischer und ethnoarchäologischer Perspektive erforschen wir im SFB 1266 gesellschaftliche Transformationen in den Patkai-Bergen und den weiten Ebenen Assams in Nordostindien. Dieses Fallbeispiel wirft ein Schlaglicht darauf, wie Gesellschaften in Nordindien ihre Traditionen verlieren oder sie bewahren, verändern und Neues aufnehmen. Damit steht Nordostindien nicht allein – auch unsere europäischen Gesellschaften verändern sich schließlich ständig.

Zwischen Tradition und Moderne

Der Nordosten Indiens ist ein Schmelztiegel mit mannigfaltigen Landschaften, unzähligen Sprachen und Dialekten und kultureller Vielfalt. Konfrontiert mit Kolonialismus und der Etablierung des indischen Nationalstaates prallen Tradition und Moderne aufeinander. Beides markiert tiefgreifende soziale, ökonomische, ökologische und kulturelle Transformationen.

Wir fragen nach: Was passiert, wenn christliche Missionare auf animistische Traditionen treffen? Was passiert, wenn Hirse, Reis und Fleisch nicht mehr gegeneinander, sondern gegen Geld getauscht werden?

  • Exkurs

    Die Betelnuss – ein Allrounder und seine wirtschaftliche Bedeutung

  • In Nordostindien ist der Genuss von Betelnüssen ein fester Bestandteil der Willkommenskultur und weiterer ritueller Praktiken. Ein Besuch in einem Haus in Assam wird immer mit dem Angebot zum Kauen von Betelnüssen verbunden sein.

  • In weiten Teilen Asiens sind Betelnüsse im Alltag so beliebt, wie es in Europa beispielsweise Kaugummis sind. Die Nüsse werden gehackt, auf einem Blatt mit gelöschtem Kalk vermengt und zu einem kleinen Päckchen verschnürt. Je nach Geschmack werden auch Gewürze wie Pfefferminze hinzugegeben.

    Das Kauen der bitteren Betelnüsse wirkt leicht anregend, der Speichel färbt sich blutrot.

  • Betelnüsse sind Cash-crops. Ihr Gegenwert wird in barer Münze aufgewogen. Deshalb pflanzen viele Bäuer:innen statt Gemüse und Getreide nun Betelnüsse an. Sie sind nicht länger Selbstversorger:innen, sondern werden zu Händler:innen. Die geldbasierte Marktwirtschaft übernimmt, weshalb neue Abhängigkeiten entstehen.

Macht euch die Erde untertan: Cash-crops

Heute verändern Verstädterung und Modernisierung die hügeligen Gebiete Karbi Anglongs im Zentrum Nordostindiens. Gewinnstreben und Cash-crops werden auch in vielen Dörfern immer wichtiger und zur Lebensgrundlage. Dafür wird die traditionelle Jhum-Landwirtschaft durch geldbringenden Anbau von Betelnüssen, Ananas, Kautschuk und Sandelholz ersetzt.

Nur in den abgelegenen Berggebieten sichern die Bäuer:innen ihr täglich Brot weiterhin mit dem traditionellen Terrassenanbau und dem Jhum-Anbau, unabhängig von Geldgeschäften. Wer Cash-crops anbaut, verkauft sie in die Städte, bekommt Geld, das sich nur in den Städten wieder ausgeben lässt. Die Städte haben ihren eigenen pulsierenden Rhythmus und faszinieren. Die städtischen Eindrücke fließen zurück ins Dorf und verändern die traditionellen Tänze, Feste und Lieder.

Wandernde Felder – der traditionelle Jhum-Anbau

In vielen der Berggebiete Nordostindiens ist der Wanderfeldbau (lokal: Jhum-Anbau) die wichtigste Stütze des alltäglichen Lebens. Nachdem die zukünftigen Feldflächen im Februar oder März mithilfe kontrollierter Brände freigelegt und gerodet werden, folgt über die Sommermonate der Anbau und schließlich die Ernte. Die Erträge aus diesem Anbau sind sehr vielfältig: Reis, Hirse, Kartoffeln, Kürbisse und verschiedenste Gemüsesorten werden auf den Feldern angebaut. Die Erträge sichern das Überleben eines Haushaltes und werden bei Bedarf durch das Sammeln und Jagen in den Wäldern ergänzt. Für einen zusätzlichen Verkauf der Produkte eignen sich die Felder jedoch nicht: Die Größe der Anbauflächen ist durch das empfindliche Ökosystem der Bergwälder begrenzt. Die Flächen können nur für ein Jahr und dann erst wieder nach fünf bis zehn Jahren genutzt werden; in der Zwischenzeit wandern die Felder der Familien auf andere Waldgebiete weiter.

Ausgrabung

  • Die Aufnahme der Steine geschah unter Anteilnahme vieler Dorfbewohner:innen.

  • Zu den wichtigsten Aspekten gehörte die fotografische Dokumentation der Monumente.

  • Die einzelnen Steine werden gewissenhaft vermessen.

  • So wurden teilweise hunderte Steine der einzelnen Dörfer wissenschaftlich erfasst.

  • Aber nicht nur die sichtbaren Merkmale waren von Bedeutung. Am wichtigsten waren die Geschichten, die mit jedem einzelnen Stein verbunden sind.

  • Dorfälteste und Mitglieder des Forschungsteams diskutieren die Riten und Traditionen, die mit der Errichtung der Steine verbunden waren.

Nagaland Heute

Neue Zwischenwelten

Alte Traditionen und neue Einflüsse sprengen oder finden einander. Steine werden in Nagaland heute nur noch beim Bau neuer Kirchen aufgerichtet. Nicht mehr die Gedenkorte für die Vorfahren, sondern die Kirchen prägen die Dörfer. Der symbolische Schmuck der Häuser und die farbenfrohe Gestaltung der Tore ins Dorf sind bedeutungslos geworden. Neue Traditionen wurden geboren. So bringt das Hornbill-Festival einmal im Jahr Menschen aus ganz Nagaland für mehrere Tage voller Gesang, Tanz und Spiele zusammen.

Transformationen sind in Nordostindien allgegenwärtig. Sie betreffen Feste, Häuser und die Landwirtschaft. Manche Tradition bleibt trotzdem bestehen. Dorfräte und alte Monumente haben auch in veränderten Gesellschaften immer ihren Platz.