Zur letzten Ruhe gebettet

Die Grabhügel liegen auf leichten Kuppen, die dem Bauwerk bereits eine eindrucksvolle Höhe verschaffen. Nur ein Bruchteil der Gesellschaft wird in diesen Hügeln bestattet, andere Bestattungen fehlen. Bis zu 2 ha Land werden für die Errichtung eines Hügels von 15 m Durchmesser und bis zu 10 m Höhe benötigt. Denn für den Bau eines Hügels wird nicht nur einfache Erde genutzt, ein Teil wird aus Soden errichtet, also kostbarem Ackerland. Nicht jedem stehen die notwendigen Ressourcen und Arbeitskraft zur Verfügung. Die Hügel sind daher der gesellschaftlichen Oberschicht vorbehalten.

Die Grabhügel werden mehrfach aufgeschüttet, mit neuen Bestattungen, bis mächtige, in der Landschaft weithin sichtbare Monumente entstehen.

Ein Beispiel ist der jüngst durch den SFB 1266 untersuchte Hügel LA 117 in Bornhöved, Kr. Segeberg.

Umbau und Ausbau am Beispiel Bornhöved

Immer wieder suchen die bronzezeitlichen Menschen die Kuppe westlich vom See in Bornhöved für die Bestattung ihrer Toten auf. Das erste Grab wurde tief in den Lehm gegraben. Eine schwere Arbeit mit einfachen Holzspaten. Ein Kreis aus Steinen markiert den aufzuschüttenden Bereich.

Die Erde für den Hügel stammt aus zwei Gräben, die um den Hügel gezogen werden. Ein kleiner Trick lässt den Hügel dabei größer aussehen, als er eigentlich ist. Denn ein zweiter Graben, kaum sichtbar für die Archäolog:innen, lässt die natürliche Kuppe, auf der der Hügel liegt, steiler aussehen und der Aushub erhöht den Hügel.

  • Das erste Grab (1.877 – 1.744 v. u. Z.).

  • Der Boden wird von Gras befreit …

  • … und der Hügelumfang abgesteckt.

  • Ein Graben liefert Material für den Hügel, der zudem von einem Ring aus Steinen umfasst wird.

  • Mit einem zweiten Graben sieht der Hügel auf der Kuppe viel höher aus. Schon damals wurde getrickst.

  • Langsam wachsen Graben und Hügel zu und werden Teil der Landschaft.

Vermutlich vergehen bis zur nächsten Bestattung mehrere Jahrzehnte. Wind, Regen und Tiere sorgen dafür, dass der Graben sich langsam mit Erde verfüllt. Dann wird ein weiteres Grab angelegt, der Hügel wird weiter aufgeschüttet und der Graben erneut ausgehoben. Bis zu drei dieser Grabenaushübe konnten die Archäolog:innen beobachten. Die dazugehörigen Gräber sind leider nicht mehr erhalten. Intensives Pflügen seit dem Mittelalter zerstörte die oberen Gräber.

  • Der jüngste Grabenaushub stammt aus der Zeit
    zwischen 1.740 und 1.650 v. u. Z.

  • Exkurs

    Heute Wohngebiet und damals? Wie Archäobotaniker:innen vergangene Landschaften rekonstruieren

  • Pollenkörner (Blütenstaub), können sich über Jahrmillionen in Böden und Sedimenten erhalten, u. a. in Seesedimenten. Pollenkörner, die auf der Wasseroberfläche landen, sinken zum Grund. Dort werden sie in den schichtweise abgelagerten Sedimenten konserviert. Je tiefer die Schicht, desto älter der Pollen.

  • Die mikroskopisch kleinen Pollenkörner unterscheiden sich in Form und Oberflächenstruktur. Pollenanalytiker:innen können so verschiedene Pflanzenarten und -gruppen bestimmen. Die Analyse von Pollenproben aus einem Bohrkern erlaubt daher Aussagen zur Vegetationsgeschichte einer Landschaft.

  • Bohrkerne in Seen werden vom Floß aus entnommen und die Proben im Labor chemisch aufbereitet. Unter dem Mikroskop bestimmt, spiegelt die Pollenzusammensetzung die regionale Vegetation in den einzelnen Sedimentschichten wider. Proben aus archäologischen Grabungen können ergänzende Informationen zur lokalen Vegetation liefern.

  • Dank der Pollenanalyse wissen wir, dass der Hügel auf Ackerland errichtet wurde. Nach Anlage des Grabes hört der Feldbau auf. Das Pflanzenspektrum spricht nun für ein nährstoffarmes Grünland mit möglicher Beweidung. Ab 1.100 v. u. Z. verschwindet in der Region die dichte Pflanzendecke und die Landschaft öffnet sich. Besonders eine Pflanzenart ist nun häufig: die Besenheide. Sie deutet an, dass die Böden weniger reich an Nähstoffen sind.

  • Auf den nun nährstoffarmen Böden im Umfeld des Hügels wird in der frühen Neuzeit Buchweizen angebaut. Pollenanalytische Hinweise auf Roggen-, Mais- und Rapsanbau aus den obersten Schichten des Hügels spiegeln die jüngere Landwirtschaft wider, die erst durch Düngung wieder möglich wird.

  • Die mikroskopisch kleinen Pollenkörner ermöglichen uns die Rekonstruktion der Umweltgeschichte vom lokalen Nutz- und Kulturland von den Anfängen bis heute.

Ein letztes Sterben der reichen Oberschicht

Noch ein letztes Mal wird der Grabhügel umgebaut. 200 Jahre nach der Illumination und gegen Ende der älteren Bronzezeit kommen die Menschen erneut zu einem Begräbnis zusammen und errichten dazu gemeinsam einen Kranz aus mächtigen Pfählen um den Hügel herum. Die Stämme sind hoch aufgerichtet und tief im Boden mit Steinen verankert. Durch die Pfähle ist der Hügel bereits von Weitem sichtbar.

Es ist die letzte Phase der großen Hügelbestattungen. Grabbeigaben wie Gold und Schwerter nehmen immer mehr zu und die Brandbestattung hält Einzug in das Totenritual. Nun lodern die Scheiterhaufen in Flammen und die verbrannten Knochen werden nach wie vor in Särgen beigesetzt. Hier präsentiert sich die Elite noch mit ihrer vollen Macht und für jeden sichtbar in den Grabhügeln. Am Ende der älteren Bronzezeit hört der Bau von Grabhügel in weiten Teilen Nordeuropas auf.

  • Exkurs

    Die Bedeutung von monumentalen Grabmälern im 18. und 19. Jahrhundert

  • Der Begriff Mausoleum stammt von dem antiken Grabmal des persischen Königs Maussolos (377–353 v. u. Z.), der sich in der Stadt Halikarnassos (heute Bodrum, Türkei) eine eindrucksvolle Begräbnisstätte errichten ließ. Das große Bauwerk zählt seit der Antike zu den sieben Weltwundern und wurde zum Synonym prunkvoller und großer Grabanlagen.

  • Im Mittelalter wies vor allem die Nähe zur Kirche und des Chorraumes auf die Bedeutung der Bestatteten hin. Dem Adel, Bischöfen und herausragenden Persönlichkeiten blieben daher die Bestattung in Krypten und Grüften vorbehalten. Dies änderte sich erst mit der Reformation.

  • Eine Folge der Reformation ist die Veränderung der Jenseitsvorstellungen. Der Glaube, dass die Lage des Grabes direkt mit dem Seelenheil der Verstorbenen verbunden ist, ist aufgehoben. Damit wird der Weg frei für Friedhofsareale außerhalb der Kirchen, am Rand der Dörfer und Städte.

  • So begann der Adel, ab dem frühen 18. Jh. Mausoleen außerhalb von Kirchen und Kapellen auf seinen Landgütern zu errichten. Die romantische Bewegung und das neue Interesse für die Landschaft ließen die Grabbauten integrierte Elemente der Parks und Landschaftsgärten werden. Das Mausoleum der Welfen im hannoverschen Berggarten oder die Pyramide des Fürsten von Pückler in Bad Muskau sind solche Beispiele.

  • Im Zuge des Bevölkerungswachstums im 18. und 19. Jh. wurde eine Verlagerung städtischer Friedhöfe vor die Tore der Stadt notwendig. Diese Anlagen waren von einer neuen Friedhofsästhetik geprägt, die ihren Ursprung in einem neuen Naturverständnis hatte. Die Friedhöfe wurden zu Parks, die Gräber strukturiert und geordnet darin errichtet.

  • Das aufstrebende Bürgertum im 19. Jh. orientierte sich an den prächtigen Bauten des Adels. Im städtischen Umfeld der Großindustriellen entstanden auf den Friedhöfen große Familiengrabmäler und Mausoleen im Stil des Historismus. Damit schließt sich der Kreis zum König Mausolos.

  • Gegen starken Widerstand der katholischen Kirche setzte sich im 19. Jh. die Feuerbestattung durch und veränderte den Umgang mit den Verstorbenen erneut. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg stiegen die Zahlen der Feuerbestattungen an. Gegenwärtig liegt er etwa bei 50 % und schwankt je nach vorherrschender Konfession und zwischen ländlichen und städtischen Gebieten.

Soziale Revolution

Um 1.100 v. u. Z. ist ein Scheidepunkt erreicht. Die hektarweise Vernichtung fruchtbaren Ackerbodens für die Errichtung der Hügel lässt die Böden verarmen. Ackerbau wird weniger und Weiden entstehen um die Hügel herum. Imposante Grabbauten und prestigeträchtige Beigaben sind nicht mehr opportun. Es zählt das Individuum und jeder hat das Recht auf eine Bestattung.

Statt neue Monumente in der Landschaft zu errichten, suchen die Menschen der jüngeren Bronzezeit die älteren Hügel auf und begraben dort ihre Verstorbenen in Urnen mit persönlichen Beigaben. Prunk und Reichtum sind aus dem Totenritual verschwunden. Es sind kleine Hausgemeinschaften, die hier gemeinsam am Hügelrand zur letzten Ruhe gebettet werden. Die soziale Revolution der jüngeren Bronzezeit macht nun die ganze Bandbreite der bronzezeitlichen Gesellschaft für uns Archäolog:innen greifbar.

  • Bestattet in einem schönen Gefäß. Die Urne aus Bornhöved ist sorgfältig gearbeitet und glänzend poliert.

  • Die Deckschale zeigte nach oben und enthielt möglicherweise Speisebeigaben. Andere Beigaben fehlen in Bornhöved.

  • Die Schale ist verziert und ebenso sorgfältig gearbeitet.

  • Einfach ist die Norm: Andere Urnen sind weniger aufwendig gearbeitet.

  • Erst Kochtopf, dann Urne. Gefäße wurden wiederverwendet. Innen ist noch die Speisekruste sichtbar.

  • Deckel drauf und zu. Schalen dienten meist als Verschluss.

  • Auch ein umgedrehtes Gefäß wird als Abdeckung genutzt.

  • Oben abrasiert. Das Oberteil fiel dem Pflug zum Opfer.

  • Dicht gepackt. Eine Steinpackung schützte die Urne.

Ausgrabung

  • Von wegen Pinsel, erstmal kommt der Bagger.

  • Moderne Messtechnik statt verstaubter Kladde.

  • Dokumentation ist wichtig. Fotografieren …

  • … und Zeichnen.

  • Graben, Gruben und Pfosten.

  • Steine über Steine. Hier wird eine Urne freigelegt, die von einer dichten Steinpackung umschlossen ist.

  • Bornhöved im Luftbild. Der kreisrunde Graben ist in der Mitte trotz der trockenen Erde gut zu erkennen.

  • Das zentrale Grab, vage ist der Kopf links zu erkennen.

  • Der Pfahl ist heute nur noch als dunklere Färbung im hellen Sand sichtbar. Die Keilsteine fielen, nachdem das Holz vergangen ist, in die Pfostengrube.

Illumination Heute

Moderne Bestattung

Die Maxime „je größer, desto besser“ führt zur sozialen Revolution und einem Umdenken in den religiösen Bräuchen. Nach der Reformation setzt ein Wandel in den Glaubensvorstellungen ein, der bis heute anhält. Kirche und Friedhof bilden keine Einheit mehr. Das aufstrebende Bürgertum beginnt im 19. Jh. den Adel in seinen Bestattungssitten nachzuahmen. Im städtischen Umfeld entstehen große Grabmäler und Mausoleen.

Als sich im 19. Jh. die Feuerbestattung durchsetzt, wandelt sich der Umgang mit den Verstorbenen erneut. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg steigen die Zahlen an. Platzmangel und Kosten werden als häufigster Grund angegeben. Doch auch die zunehmende Demokratisierung der Gesellschaft und das veränderte Trauerverhalten in den Städten sind Ursache dieser Entwicklung.